Wogenspiel in Öl

Ein Atelierbesuch bei Rasso Hecker

Ein Beitrag von Rita Steiner

Die Werke von Rasso Hecker sind anziehend. Wie sonst könnte es sein, dass Firmen, sobald seine Gemälde an einer zuvor „gähnend“ leeren Stelle präsentiert werden, just diese behalten wollen. Oder ist es die Wand, welche eben nicht behelfsmäßig mit einem Poster, Jahreskalender oder einer Magnet-Wand bedeckt werden will? Könnten sie nur sprechen, die Wände, die uns alltäglich umgeben. Welchen Wert lassen wir Ihnen zukommen?

Gemietetes Gemälde von Rasso Hecker in einer Münchener Anwaltskanzlei

Rent a painting in blau, gelb, weiß

Ich stehe mit Rasso Hecker in seinem Atelier. Gleich gegenüber der Eingangstür leuchten mir vier seiner azurfarbenen „Wogenbilder“ entgegen. Ein fünftes Gemälde aus dieser Reihe baut sich tiefblau auf. Es sind die klassischen Farben Preußischblau oder Pariser Blau, die er bevorzugt verwendet. Ein Blau, so Rasso, dass man fast ins Schwarze „hineinreiben“ kann. „Dieses unergründliche Blau in Verbindung mit Indischgelb ergibt ein unfassbares Grün“, ergänzt er.

Vor meinem inneren Auge sehe ich diese Bilderschätze schon in die Welt hinausgehen, „hinauswogen“ – ihrer Bestimmung entgegen: Freude zu bereiten. Wie schön ist es doch, wenn ein Originalgemälde angemietet und später, weil liebgewonnen, angekauft wird und dem Betrachter dauerhaft Inspiration schenkt. Für mich persönlich ist Kunst direkt vom Künstler unter die Menschen in Firmen zu bringen einfach eine ganz wunderbare Sache, denke ich wie so oft.

“Vor meinem inneren Auge sehe ich diese Bilderschätze schon in die Welt hinausgehen, „hinauswogen“

Kunst mieten macht Sinn

Wenn Menschen in Unternehmen nur erahnen würden, wie einfach es ist, Kunst zu mieten, um ihr Büro zu verschönern. Wir brauchen in dieser komplex gewordenen Welt Lichtblicke, Ausblicke, schöne Ansichten und Zeitfenster für uns. „Schönheit rettet die Welt“, dieses Buch eines Philosophen fällt mir plötzlich ein. „Retten“, nicht weil wir uns mit Schönheit irgendwohin flüchten oder ablenken wollten, sondern weil wir oft instinktiv verstehen, dass wir über Kunst unser Bewusstsein wieder erheben können. Weil etwas in uns einfach schön IST. In Beziehung mit einem Originalgemälde zu treten kann also eine überraschend kommunikative Sache mit uns selbst sein. Warum manche Gemälde ansprechend auf uns wirken, andere weniger, sagt viel über uns selbst aus.

Jeux de vagues – Spiel der Wellen

„Ich sehe in der Dunkelheit die totale Ruhe und nichts Unangenehmes. Denn in der Dunkelheit ist die Helligkeit. Ohne die Dunkelheit gäbe es gar keine Helligkeit“, so Rasso. Und flugs befinden wir uns auf der Metaebene seiner Kunst. Als kleines Kind auf kaltem Pflaster in Barockkirchen liegend und sehnsuchtsvoll in das Deckengewölbe schauend, begann der Weg und die Entscheidung: nämlich in diese Unendlichkeit des Himmels und des Meeres hineinzumalen. Dass der Vater, ein bekannter Soloflötist, die Tonleitern hinauf und hinunter übte vor einem Konzert, erschuf einen von Musik und Klängen durchdrungenen Alltag. So sagen Freunde: „Was du malst, ist eigentlich Musik.“ Der Titel „Jeux de vagues“, ein Satz der Komposition von Claude Debussys „La Mer“, hätte ihn schlichtweg „mitgerissen“, so Rasso. Im Malen selbst sei er vollkommen ruhig und in einem ganz anderen Seins-Zustand, so als würde er sich auflösen und einfach weg sein. Und an einem ebenso unbestimmbaren Punkt sei das Bild fertig. „Dann mache ich einen cut und dann kommt das nächste dran. Ich kann nicht definieren, wo ich aufhöre, aber der Moment ist unbeschreiblich. Denn ich weiß, wenn ich jetzt noch weitermache, geht es vielleicht kaputt. Diese Momente sind übel, passieren öfter, ich hadere dann sehr und sage mir: Warum? Warum hast du nicht vorher aufgehört?“

Einfach nur betrachten

„Das Wichtige ist loslassen und sich beim Betrachten des Gemäldes auch komplett von der Rationalität zu lösen. Einfach nur betrachten, anschauen – das reicht. Und dann passiert etwas. Es passiert immer etwas“, so Rasso. Im Café um die Ecke – auch hier nur „Rassos“ an den Wänden – sinnieren wir weiter. Gott. Sinnsuche. Tiefere Beweggründe. Gründe allgemein: „Es ist mit dem Malen so: Es macht eigentlich keinen Sinn, aber es gibt einen Grund dafür. Durchs Malen bedanke ich mich auch irgendwie bei meinem Schöpfer. Ich bedanke mich für etwas, was mir die Kraft gibt, überhaupt zu SEIN. Es würde sonst nicht funktionieren. Alles ist ja verbunden. Ich kann nicht durch die Welt gehen und an nichts glauben. Ich glaube, wer glaubt, kann sich auch einmal leichter von allem lösen.

Apropos lösen. Auch ich vermag schnell vom Seelisch-Gehaltvollen zum Profanen einen cut zu machen. Ich sollte wieder los. Und so gehe ich fröhlich und nachdenklich zugleich zurück ins Büro von Bailer-Kunst. In diesem Büro hängt seit gestern ein Gemälde mehr. Ein Geschenk. Vielen herzlichen Dank, Rasso! Wir bleiben uns „gewogen!“